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11/aCHzig_Txakoli in Bilbo*

bizitza sinple bat - una vida sencilla - ein einfaches Leben

Als ob das Leben jemals einfach wäre!
Aber jetzt, da ich auf diesem Weingut stehe, da will ich mir das gerne so vorstellen. Weit abgeschieden von der Welt, schwierig zu finden, selbst für Menschen mit besserem Orientierungssinn als meinen. Nicht etwa weil die Koordinaten, die ich ins Navi tippe, nicht korrekt wären, sondern weil die Vernunft behauptet, dass das nie und nimmer eine Straße sein kann, auf der ich mich mit meinem Fiat Cinquecento befinde.
Ich bin im Baskenland gelandet. In der Nähe von Bilbao, etwa zwanzig Minuten südwestlich. Und ich frage mich, warum ich das nicht öfter mache. Orte zu besuchen, die eigentlich so nah sind, und dennoch wie zu einer andern Welt gehörig erscheinen.

Vielleicht hat es auch damit zu tun, dass mich mit Iker Ulibarri nicht eigentlich viel verbindet. Außer Sympathie und Freude an Rebbergen, Wein und Käse. Denn um eines gleich vorweg zu nehmen, Iker und ich, wir kennen einander kaum. Eine Weinreise hat mich zu ihm auf den Hof geführt, Zufall könnte man es nennen. Wir sind einander begegnet, ich habe mein Möglichstes getan, ihn auszufragen über seine Weine, seine Schafe, sein Leben und auch über die die Installation, die an der Einfahrt zu seinem Hof steht. Er hat freundlich versucht, mir zu erklären, worum es ging. Allerdings waren meine Spanischkenntnisse und seine Bereitschaft, Spanisch zu sprechen, ähnlich stark ausgeprägt. Was so viel bedeutet, wie dass ich mich bezüglich der Installation mit "eine Arbeit vom Papa" zufrieden gebe, anerkennend nicke und finde, mehr muss man von einem Winzer eigentlich gar nicht wissen: Er lebt hier gemeinsam mit Familie, Bruder, Kindern, Schafen, Hunden und  allem was dazu gehört und offensichtlich war der Vater auch schon hier auf diesem Hof.
Wir lächeln einander wohlwollend an und ich widme mich dem, worauf es eigentlich ankommt: Wein und Käse. Und beides ist, so viel ist sicher, aller Rede wert! Mit dem Schafkäse auf der Zunge und dem Txakoli, dem regionalen Weißwein, in der Nase lasse ich den Blick gemeinsam mit meinen Gedanken über die Hügel und Wälder schweifen und stelle mir das Leben hier ganz einzigartig vor. In diesem hintersten Tal, abgeschieden von der Hektik der Großstadt folgen Winzer und Käser ihrem ganz eigenen Plan, im Rhythmus der Natur. Und so schmecken denn die Txakolis kompromisslos, unverbogen, unverkrampft. Genauso schmeckt der Schafkäse bodenständig, ehrlich, gut. Und mir ist klar, dass ich das Leben hier nicht leben könnte. Es braucht schon eine andere Mentalität, um hier zu überleben. Der Boden, das Land sind untrennbar verbunden mit Ulibarri. Und so will ich eines getrost glauben. Die Schafe könnten glücklicher nicht sein. Genauso wie ihr Hirte, Käser, Winzer.
Und dass das, was aufgeschnitten auf der Platte liegt, und eingeschenkt in Gläser ist, auch absolut biologisch und die Essenz der baskischen Wiesen und Reben ist, davon gehe ich aus. Und dass hinter diesen sieben baskischen Bergen die Welt noch sehr in Ordnung ist, genauso.

Aber lass uns über Txakoli sprechen. Es mag ja viele Gründe geben, warum ein Weinstil außerhalb der regionalen Grenzen nicht so populär ist. Manchmal ist das ungerecht, manchmal mehr als nachvollziehbar. Im Falle des Txakoli trifft wohl beides zu. Eine lokale Weissweinspezialität, bei der die Beschreibung "rassige Säure" bei weitem nicht ausreicht zu beschreiben, was sich sensorisch am Gaumen und chemisch im Magen ereignet. Vorbereitet muss man sein, daran besteht kein Zweifel. Doch Neugier an der bunten Weinwelt vorausgesetzt ist der Txakoli sehr wohl eine Bereicherung für den Erfahrungsschatz des Weinweltenbummlers. Andererseits ist es  auch ganz pragmatisch zu erklären, dass bei einer Rebfläche von 170 ha in den drei Regionen - Getariako Txakolina, Bizkaiko Txakolina und Arabako Txakolina - trotz Weissweinanteil von ca. 90% nicht allzu viel in den Export geraten kann, verschwindet doch der größte Teil der Produktion in heimischen Kehlen. Und da den Basken der Ruf vorauseilt, recht unabhängig zu sein, darf es auch nicht weiter verwundern, dass sie gut damit leben können.
Das soll aber die Bilbao-Reisenden keinesfalls vom Txakoli fern halten - ganz im Gegenteil! Mit ein wenig Vorbereitung - ein Mittelchen gegen Magenbrennen in der Reiseapotheke - steht dem Abenteuer nichts im Wege. Doch Txakoli - und das ist wichtig - ist nichts für Allerweltsweintouristen. Txakoli ist was für Abenteurer. Rassig, unentdeckt nicht einfach zu beschreiben. Vielleicht nicht leicht zu merken, aber möglicherweise nur eine Herausforderung, die wenn man sich ihr erst gestellt hat, vielleicht nie mehr vergessen geht.
Gekeltert wird er aus der Hondarrabi zuri - zuri bedeutet dabei "weiß". Es ist anzunehmen, dass es auch eine rote Hondarrabi gibt, und dem ist auch so. Hondarrabi beltza nennt die sich und beltza heißt logischerweise rot. Damit beenden wir unseren kleinen Ausflug ins Euskara allerdings wieder und wenden uns lieber dem Essen zu.
Die Basken sind ein stolzes Volk. Nun das sind wohl alle Völker dieser Welt, aber die Basken hat ihr Stolz immerhin auch in die Fernsehnachrichten meiner Kindheit gebracht und demzufolge müssen sie wohl noch etwas stolzer sein als andere, und vielleicht auch mehr Grund dafür haben. Ich will das nicht entscheiden. Ich überlasse die Politik den Politikern und werfe einen Blick in die Küche. Das macht nicht nur satt, sondern auch weit mehr Spaß und führt außerdem direkt zur Wahrheit einer Gegend. Und Unabhängigkeit und Stolz - so sehr sie politisch auch für Unruhe sorgen mögen, sorgen sie doch auch dafür, dass allzu Willfähriges vom Herd fern gehalten bleibt. Das muss der Grund sein, warum in Bilbaos Gourmettempel recht wenig Schnickschnack regieren, bodenständige, regionale Produkte eklektisch und wohl durchdacht komponiert werden. Im Degustationsmenu haben da die Kutteln den selben Rang wie Austern, Filet oder Spargel. Unbeirrbar kochen die baskischen Chefs, was sie für richtig halten.
Vor allem in und um Bilbao finden sich demnach einige Adressen, die es anzusteuern lohnt. Prominente Adresse ist sicherlich das Nerua im Guggenheim, eigentlich doch recht gewöhnlich aber der Location wegen schon auch einen Abend wert.
Meine erste Wahl jedoch ist das Mina, ein kleiner Sternetempel am Ufer der Ría gelegen. Es wartet auf mit sehr guter Weinkarte, tollem Menü, und ist noch durchaus preiswert. 10 Gänge  bekommt man hier schon für wohlfeile 75€ (da hat man wohl schon sehr viel dümmer Geld ausgegeben.) Es empfiehlt sich allerdings, rechtzeitig zu reservieren.
Für den etwas unkomplizierteren Abend mit Txakoli und Pintxos (baskische Tapas, auf kleinen Spießchen gereicht und nach deren Anzahl abgerechnet) bietet sich der Tipp von galizischen Freunden an. Das las cepas.
Und dann natürlich etwas außerhalb der Stadt der ***Tempel Azurmendi. Dazu gehört das Zweitrestaurant, Prét à Porter. Beide in Larrabetzu am Weingut etwas außerhalb von Bilbao.
Ebenfalls etwas außerhalb in Galdkao in schöner Lage am Hügel findest du das Andra Mari. Und noch ein Stück weiter draussen, vor allem für Freunde der Innereien das Boroa.
Wie überhaupt das Gute am Baskenland ist, dass man nach Bilbao fliegt, das Lager aufschlägt und sehr schnell und einfach auch das Umland erkunden kann. Taxi fahren ist preiswert, schnell und unkompliziert. Und das Guggenheim - das sollte man natürlich schon auch gemacht haben - liegt vor der Tür.
Ein letzter Ausflug sei auch noch empfohlen. Und zwar - ans Meer. Man muss ja nicht gleich Schwimmen gehen, kann auch einfach nur den unverwüstlichen Surferinnen und Surfern staunend zusehen, in der salzigen Luft sitzen und einen Espresso trinken. Und danach einen Abstecher machen zu Doniene Gorrondona, die mit die besten Txakolis produzieren, und dabei unprätentiös und abgeklärt sind, wie es einen eben nur der Ozean machen kann.

Februar 2016

*Bilbo = der baskische Name für Bilbao; Euskara das Baskische; Txakoli der typische Weissweinstil des Baskenlandes.

 

 

avi's choice

Meine Empfehlung

Doniene Gorrondona: Die Lagenselektion «Doniene» ist ein Txakoli von ungeahntem Format und hat es mir besonders angetan: In der Nase Aromen von frisch geschnittenem Apfel, etwas Fenchel und Zitronenmelisse. Am Gaumen kompakt, mit angenehmem Schmelz und von fein ziselierter Säure und salzigen Noten getragen.
Bei www.rebwein.ch/ 18 Franken

 

ESSEN

LAS CEPAS: Juan de Ajuriaguerra 22
MINA: Restaurantemina.es
NERUA: Neruaguggenheimbilbao.com
AZURMENDI und PRÉT À PORTER: azurmendi.biz
ANDRA MARI: andra–mari.com
BOROA: boroa.com

WEIN

DONIENE GORRONDONA
AITZAN ULIBARRI